Jetzt haben wir es fast geschafft. Das große Ohnesorgen-Wahlgelaber-Theater nähert sich seinem mit großer Wahrscheinlichkeit höchst unspektakulären Finale. Alle haben nichts gesagt, was den Unterschied machen würde. Alle haben Behauptungsblasen in den Raum gestellt, was sie angeblich machen wollen. Und die mit den meisten Stimmen werden in einer Woche darüber zu beraten anfangen, mit wem sie ihre Macht teilen müssen und was dann statt der Programme tatsächlich getan wird. Ich habe einen ungültigen Wahlschein in den Kasten geworfen. Zum ersten Mal in meinem Leben.

(Bildschirmfoto) Das sogenannte Triell.

Meist habe ich in den letzten Jahrzehnten Grün gewählt. Aber auch die Grünen haben den Afghanistan-Einsatz befürwortet und tun dies in Mali. Auch sie sind für eine stärkere militärische Präsenz Deutschlands, auch außerhalb der Nation. Auch sie halten die von den Fridays for Future zu ihnen gestoßenen Jungen mit ihren klareren Forderungen zurück. Auch sie schreiben Leser*:_Innen so, dass man das Geschriebene nicht mehr lesen mag.

Auch ich bin empört, wie lange es dauert, bis Frauen bei uns die gleiche Bezahlung, die gleichen Jobmöglichkeiten und die gleiche Behandlung selbst in der Medizin bekommen. Aber die Art, wie sich Annalena Baerbock erst ihre Kandidatur erboxt und dann den Stimmungsvorteil der Grünen mit ihren unsäglichen „Ich-bin-auch-eine-wichtige-Politikerin“-Spielchen vergeigt hat, hat mich nicht nur gegen sie aufgebracht. Immerhin hat man sie in der Partei all das tun lassen.

Wenn man Bücher geschrieben hat, weiß man, welche Arbeit darin steckt. Wenn dann eine Politikerin nichts zu sagen hat, dieses Nichts aber meint, von einem Ghostwriter noch schnell vor der Wahl in einem Verlag herausbringen zu müssen, ohne auch nur genauer zu schauen, wo dieser wiederum von wem abgeschrieben hat – dann weiß ich: Diese Frau ist genauso machtgeil wie Armin Laschet und Olaf Scholz.

Mit der roten Aufschrift „Gegen Wählen“ habe ich meinen Stimmzettel ungültig gemacht. Solange die Industriegesellschaft sich an diese sogenannte „repräsentative Demokratie“ hält, die nicht einmal die alten Griechen für demokratisch hielten, wird sie sich nicht wirklich ändern.

Jetzt sind und werden die Stimmen abgegeben. Danach hat der deutsche Staatsbürger, der nicht zur Machtelite gehört, keine Stimme mehr. Bis zur nächsten Abgabe seiner Stimme. Aber die, die dann angeblich für die Wähler sprechen, haben nichts anderes im Sinn als ihre Posten und Pöstchen. Ein gewisser Herr Pföhler samt der ihn haltenden Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat im Ahrtal gezeigt, wie viel ihm als oberstem Katastrophenschützer das Leben der Menschen wert ist. Nichts. Und wie viel mehr sein Ungeschoren-Davonkommen zählt.
Ich wünsche mir eine Demokratie, in der mündige, freie Bürger mit ihrem gesunden Menschenverstand und wo nötig mit Hilfe von Fachleuten Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls treffen. Per Los ins Parlament geholt, das nicht mehr als 100 oder 150 Menschen umfassen muss. Für ein oder zwei Jahre, und nur einmal im Leben.
Ich wünsche mir eine Abkehr vom nationalen Denken und damit vom Nationalstaat einschließlich der Staatenverbände. Dort wo das Leben und die Arbeit sich abspielen, in der Stadt und ihren Vorstädten, da sollte eine staatliche Ordnung über ein ausgeolostes Parlament für eine gesellschaftliche Grundstruktur sorgen. Und alles, was über die Stadt hinausgeht, könnte man in Zeiten der digitalen Vernetzung herrlich auf digitalem Wege regeln. Vom Windrad und den zu verlegenden Leitungen bis zu einem Internet, das auch auf dem Land jedem Kleinstunternehmen ein digitales Geschäftsmodell erlaubt. Nicht nur dort, wo das Privatunternehmen Telekom bei Großunternehmen genügend Profit riecht.
Gegen das Wählen. Ich weiß, dass das in meinem Leben eine Utopie ist. Aber Utopien sind dazu da, bedacht und vielleicht realisiert zu werden. Irgendwann.