Die Zahlen sind öffentlich zugänglich. Dennoch kennt sie fast niemand, denn in den Medien und von den Verbänden wird über diese Zahlen eher geschwiegen. Vergeblich habe ich nach anschaulichen Grafiken gesucht, die Aufschluss geben über die Zusammensetzung der Industrie nach Betriebsgrößenklassen. Dann habe ich sie aus den Zahlen des Statistischen Jahrbuchs 2019 selbst zusammengestellt. Sie geben die Situation im Jahr 2018 wieder.

Mich selbst hat überrascht, dass tatsächlich 50% der 46.900 Industrieunternehmen in Deutschland weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen. Nimmt man alle Unternehmen mit bis zu 499 Mitarbeitern hinzu, dann sind es sogar 96%. Ganze 697 Firmen oder 1,4% haben mehr als 1.000 Beschäftigte, und im Durchschnitt haben diese Großbetriebe 2.782 Mitarbeiter.

Warum um alles in der Welt hört man immer nur von dieser winzigen Minderheit? Weil sie den größten Gewinn einfährt und sich die teuerste Lobby leisten kann? Das ist tatsächlich so. Ein Großunternehmen macht durchschnittlich 1,2 Milliarden Euro Umsatz, während eines der über 23.000 Kleinunternehmen 5 Millionen Euro umsetzt. Aber welchen Anteil die Produkte und die hochgradig spezialisierte Arbeit der KMUs an den großen Werten hat, die die Konzerne schöpfen, das gibt auch das statistische Bundesamt nicht preis.

Die Grafiken werfen ein Schlaglicht auf die besondere Situation der deutschen Industrie. Im gesamten deutschsprachigen Raum wird sie ähnlich aussehen. Von dieser ungeheuren Menge an kleinen und mittleren Unternehmen lebt der Industriestandort Deutschland. Nicht nur wegen der vielen Arbeitsplätze, die hier weiterhin zu finden sind, während alle westlichen Industrienationen mit Ausnahme von Japan nicht einmal mehr halb so viele in der Industrie Beschäftigte haben wie wir. Auch wegen der Flexibilität und Entscheidungsfreudigkeit, die die kleinen und mittleren Firmen haben. Und genau das werden wir in den kommenden Jahren dringend brauchen, wenn die Industrie den Sprung ins digitale Zeitalter macht.

Die Großen werden inzwischen fast alle von angestellten Managern geleitet, denen es mehr oder weniger gleichgültig ist, was aus Produkt, Belegschaft und Unternehmen wird. Das Quartalsergebnis und die gute Stimmung der Investoren ist ihnen alles. Wenn es ihrer Karriere dient, gehen sie, wohin auch immer. Nach ihnen die Sintflut. Die KMUs dagegen sind in ihrer großen Mehrheit nach wie vor in Familienbesitz und werden von Gründern und ihren Nachkommen geleitet. Das gilt für 84% aller Industrieunternehmen, so der BDI in einer Studie vom März 2013. Der Unterschied: Diesen Unternehmerinnen und Unternehmern ist nicht gleichgültig, was aus den Unternehmen und Mitarbeitern wird, wie sich das Geschäft entwickelt.

Es wird Zeit, dass diese ungeheure Mehrheit der Industrie eine Stimme bekommt. Eine, die dann auch bei den Verbänden und in der Politik Gehör findet. Dazu ist gerade ein Digital Industry Circle in der Entstehung, der diese Industrie bei ihrer Digitalisierung unterstützen will. Demnächst mehr auf dieser Seite und bald auch auf einer eigenen des neuen Kreises.